Angesichts steigender Mieten und Grundstückspreise gilt seit Jahren europaweit die Stadt Wien als Vorbild: Zur Zeit des „Roten Wien“ in den 1920er Jahren baute die damalige sozialdemokratische Stadtregierung über 60.000 Wohnungen und Gemeindebauten (mit Grünflächen und gemeinsamer Infrastruktur), finanziert über eine Wohnbausteuer als Teil umfangreicher Reformen in der Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik . Der Karl-Marx-Hof ist das bekannteste Beispiel. Die Bewohner*innen dieser Wohnungen – aktuell ein Viertel (!) der Bevölkerung Wiens – sind vor Mietenwahnsinn geschützt.
Das Vorbild Wien zeigt, dass Kommunen ihre Grundstücke und Häuser nicht privatisieren dürfen sondern einen eigenen kommunalen Wohnungsbestand aufbauen müssen! Darüber hinaus zeigt das Beispiel auch, dass eine Stadt nicht auf private Investor*innen angewiesen ist, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

In Tübingen wird die Stadt nun kurzfristig auch wieder zum Wohnungsbauakteur: Im neuen Baugebiet am Hechinger Eck Nord sind Bauträger durch die gestiegenen Bankzinsen und Baukosten in Schwierigkeiten geraten. Die Stadt übernimmt nun die Fertigstellung eines Hauses, um die darin geplanten innovativen Clusterwohnungen an Pflegekräfte und Erzieher*innen vermieten zu können. Diese gehören zu den „systemrelevanten“ Berufsgruppen, die in Tübingen kaum mehr bezahlbare Wohnungen finden.

Wir begrüßen die Initiative der Stadtverwaltung und die Zustimmung des Gemeinderats zu diesem Schritt. Grundstücke und Häuser müssen in viel größerem Umfang als bisher in kommunalem Eigentum bleiben, zurückgeholt werden (Kampagne zur Enteignung von Immobilienkonzernen in Berlin) und/oder (in Erbpacht) an gemeinwohlorientierte, nicht-profit-orientierte Träger von Gemeineigentum vergeben werden.

Dafür braucht es politische und auch finanzielle Unterstützung:
Die Stadt kann das Haus am Hechinger Eck vor allem deswegen umsetzen, weil es im Landeswohnraumförderprogramm dafür eine spezielle Finanzierung gibt: „Die Förderung liegt rund 10% über dem Niveau, das anderen Trägern (auch der GWG) zugestanden wird.“ (Siehe Vorlage Gemeinderat & Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen). Solche Finanzierungen müssen schnell ausgeweitet werden auch auf gemeinwohlorientierte Bauträger wie Genossenschaften. Und auch innovative Wohnformen wie Clusterwohnungen müssen endlich als Beitrag für platz- und ressourcensparendes Bauen sowie gemeinschaftliches Wohnen anerkannt und gefördert werden!