Unsere wohnpolitischen Forderungen (formuliert 2018, aktualisiert Mai 2023)

(Siehe auch die umfangreichen 55 Forderungen für eine bessere Wohnungspolitik des Alternativen Wohngipfels, Berlin, September 2018)

Überall ist von fehlenden Wohnungen die Rede, weil zu wenig gebaut würde. Übersehen wird dabei schnell, dass es bestimmte Wohnungen sind, die fehlen, nämlich Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen. Was derzeit aber vor allem gebaut wird, sind Eigentumswohnungen und teure Mietwohnungen.

Dabei stehen steigende Mieten, Mangel an bezahlbaren Wohnungen und Verdrängung in direktem Zusammenhang mit der kapitalistischen Gesellschaft in der wir leben und insbesondere mit der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte. Diese Politik ist durch Privatisierung, Liberalisierung und Kürzung von Förderprogrammen gekennzeichnet.

Seit der Finanzkrise 2008 kommt verschärfend hinzu, dass Kapital auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten (Betongold und Spekulation) auf den Wohnungsmarkt drängt. Das treibt die Häuser- sowie Grundstückspreise und damit auch die Mieten in die Höhe.
Ein weiterer Grund für fehlende bezahlbare Wohnungen ist der Wegfall der Bindung von Sozialwohnungen und die Privatisierung von öffentlichen Wohnungsbeständen.

Um bezahlbares und gutes Wohnen als Grundrecht für alle Menschen zu ermöglichen, müssen unserer Meinung nach die neoliberalen Maßnahmen beendet und der Wohnungsmarkt und der Privatbesitz an Wohnraum grundsätzlich zurückgedrängt werden. Wohnraum als Investition und Geldanlage und das Spekulieren mit Wohnraum muss unattraktiv und letztlich unmöglich gemacht werden. Gleichzeitig muss Wohnraum als dauerhaftes Gemeineigentum (öffentlich, kommunal, genossenschaftlich) ausgebaut sowie privater Wohnraum in Gemeineigentum überführt werden.

Folgende Maßnahmen können dabei – schrittweise und in verschiedenen Kombinationen – helfen. Sie wären zum Teil kurzfristig zum Teil längerfristig wirksam. Einige dieser Maßnahmen – wie Mietobergrenzen, Wohnungsgemeinnützigkeit oder Luxuswohnsteuern – gab es früher bereits, sie wurden im Zuge der neoliberalen Umstrukturierungen abgeschafft.

Maßnahmen auf kommunaler Ebene in Tübingen:

  • Milieuschutzsatzungen für z.B. die Südstadt, sodass keine Umwandlungen von Altbauwohnungen in teure WGs oder Eigentumswohnungen mehr möglich sind.
  • Vormundschaften bzw. Enteignungen im Falle von längerem Leerstand und Zweckentfremdung, um Wohnraum wieder bewohnbar zu machen.
  • Legalisierung von Instandbesetzungen vernachlässigter Leerstände.
  • Baupflicht für Grundstückseigentümer, v.a. von ungenutzten Bauplätzen, gemäß Baurecht.
  • Vergabe städtischer Grundstücke nur noch in Erbpacht anstatt Privatisierung. Grundstücke müssen in öffentlichem Eigentum bleiben oder dürfen nur an gemeinwohlorientierte Träger vergeben werden, die dauerhaft günstige Mieten garantieren und Weiterverkauf ausschließen.
  • Demokratische Kontrolle bei der Schaffung von neuem Wohnraum. Städtischer Wohnungsbau gehört unmittelbar in kommunale Hand und unter die Aufsicht von Mieterbeiräten. Er darf nicht länger an die GWG ausgelagert werden.
  • Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und öffentlicher Infrastruktur auch in der Umgebung Tübingens. Weil der Platz für Neubau in Tübingen begrenzt ist, muss mittelfristig auch in den umliegenden Gemeinden günstiger Wohnraum geschaffen werden. Gleichzeitig müssen die Nahverkehrsanbindung und die Infrastruktur vor Ort ausgebaut werden.

Maßnahmen auf Landes- und Bundesebene:

  • Änderung des Zweckentfremdungsgesetzes auf Landesebene, sodass auch Leerstände, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes bzw. darauf beruhender kommunaler Zweckentfremdungsverbote bestanden, geahndet werden können.
  • Einführung einer sozial gestaffelten Grunderwerbsteuer.
  • Umorientierung der Förderpolitik weg von Subjektförderung (z.B. Wohngeld, das Vermieter*innen zu Gute kommt) hin zu Objektförderung (dauerhaft bezahlbare Wohnungen für alle).
  • Neuberechnung des Mietspiegels: Damit der Mietspiegel kein Mieterhöhungsspiegel ist müssen alle bestehenden Mietverhältnisse (nicht nur Neuvermietungen der letzten 6 Jahre) in die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete einfließen.
  • Wohnberechtigungsscheine für alle Bedürftigen, unabhängig von Staatsangehörigkeit und Aufenthaltstitel.
  • Mieterschutz und Kündigungsschutz müssen verbessert und soziale Notlagen berücksichtigt werden.
  • Demokratisierung aller Wohnungsunternehmen, kollektive Mieter*innenrechte in allen Wohnungsunternehmen und echte Mieter*innen-Mitbestimmung im öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungssektor.
  • Einführung eines Verbandsklagerechts bei Verstößen gegen das Mietrecht.
  • Schaffung wirksamer Antidiskriminierungsgesetze für den Wohnungsmarkt, durch feste Quoten und anonymisierte Bewerbungsverfahren.
  • Schaffung von öffentlicher Transparenz über Wohnungseigentümer durch ein zentrales vernetztes Immobilienregister, in dem die Eigentümer der Immobilien für Behörden und für alle Betroffenen (Mieter*innen) abrufbar sind, auch als Maßnahme gegen Geldwäsche im Immobiliensektor.
  • Die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete (§559 BGB) muss abgeschafft werden.
  • Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit: Steuerliche Erleichterungen, Bevorzugung bei der Grundstücksvergabe, öffentliche Zuschüsse und Kredite für dauerhaft bezahlbare Wohnungen, die dem Gemeinwohl dienen. Gültig nur für öffentliches, genossenschaftliches oder in anderer Rechtsform kollektivisiertes Wohn-Eigentum, nicht für profitorientierte Unternehmen!
  • Wiedereinführung einer Grundsteuer für Bauland (gab es bereits in den 1960er Jahren), um das Brachliegenlassen und Spekulieren auf spätere höhere Preise zu verhindern.
  • Gesetz für Mietobergrenzen, sodass Kommunen diese per Satzung (z.B. auf Höhe von Mietspiegel) festsetzen können.
  • Schluss mit der Subventionierung von profitorientierten Bauträgern durch Zuschuss für Sozialwohnungen. Stattdessen nur Förderung dauerhaft günstiger Wohnungen mit Belegungsbindung durch nicht-profitorientierte Bauträger.
  • Umfassende Förderprogramme für den Bau neuer Sozialwohungen, gekoppelt an sehr langfristige (über 30 Jahre) oder dauerhafte Belegungsbindungen, auch für die Neuausweisung von Sozialwohnungen im Bestand.
  • Die Bundesimmobilienagentur (BIMA) muss den Verkauf zu Höchstpreisen einstellen, da dies die Immobilienspekulationen weiter anheizt. Stattdessen muss die BIMA gemeinnützige und öffentliche Träger mit günstigen Grundstücken versorgen.
  • Börsennotierte Wohnungsunternehmen (wie Vonovia u.a.) müssen verboten und aufgelöst, ihr Bestand kommunalisiert werden.
  • Einschränkung der Finanzmärkte, z.B. durch das Verbot sogenannter „Shared Deals“, bei denen das Zahlen der Gewerbesteuer umgangen wird, indem anstatt Grundstücksanteilen Unternehmensanteile an Grundstücken gekauft werden.
  • Neue und höhere Steuern auf Immobiliengewinne, Luxuswohnen und Grunderwerb. Zweckgebunden für die Schaffung von dauerhaft bezahlbarem Wohnraum.
  • Vermögens- und Millionärssteuer, um Spekulationsgeld abzuschöpfen und umzuleiten z.B. in sozialen Wohnungsbau etc.