Die Wohnraumbeauftragten der Stadtverwaltung haben im Mai 2024 dem Planungsausschuss des Gemeinderats die Ergebnisse einer Analyse präsentiert. In Kooperation mit dem Mieterbund Reutlingen-Tübingen planen sie Maßnahmen gegen Mietwucher (Vorlage an den Planungsauschuss als pdf).

In der Vorlage steht hinsichtlich der Analyse der Miethöhen in Tübingen:
„Die Verwaltung hat die öffentlichen Mietangebote in den Monaten Mai und Juni 2023 im Detail analysiert. Dabei offenbarte sich, dass mehr als die Hälfte der Angebote unter dem Verdacht steht, rechtswidrige Miethöhen aufzurufen. Rund 1/3 der Mieten liegen sogar mindestens 120 Prozent über dem Mietspiegel und stehen damit unter dem Verdacht, gegen die Regeln des Wirtschaftsstrafrechtes zu verstoßen. Der Verwaltung sind anekdotisch Fälle bekannt, bei denen Kaltmieten von 25 Euro/qm und mehr für Altbauwohnungen aufgerufen werden. Solche Mietverhältnisse werden oft von Menschen in Notlagen eingegangen – Studierende mit dringendem Wohnraumbedarf oder Familien, die wegen einer Kündigung von Wohnungslosigkeit bedroht waren. Diese Menschen wehren sich dann häufig nicht gegen rechtswidrige Mietverhältnisse – aus Angst vor Nachteilen oder schlicht aus Unkenntnis über die geltende Gesetzeslage. Auch den Vermietenden ist jedoch in vielen Fällen nicht bewusst, dass die verlangte Miete gegen rechtliche Regelungen verstößt. Oft orientieren sich Vermieter an rechtswidrigen
öffentlichen Mietangeboten, oder sie stehen unter Druck, weil sie überhöhte Kaufpreise für Altbauten in Kauf genommen haben und diese refinanzieren müssen.
Die Stadt Freiburg geht solchen Fällen seit etwa anderthalb Jahren nach. Öffentliche Angebote werden durch einen Dienstleister ausgewertet. In begründeten Fällen nimmt die Verwaltung Kontakt mit den Anbietern auf und informiert über die Rechtslage. In aller Regel nehmen die Vermietenden dies zum Anlass, die Mietforderung auf ein rechtlich angemessenes Niveau zu senken. Nur in seltenen Fällen muss die Verwaltung Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten. Dazu sind Kommunen entsprechend §5 WiStG in bestimmten Fällen befugt.
Auch in Tübingen soll ein entsprechendes Projekt gestartet werden. Der Gemeinderat hat hierfür im Haushalt Sachmittel und eine Personalstelle bewilligt. Diese Stelle wird derzeit ausgeschrieben. Auch in Tübingen sollen in Einzelfällen Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden. Ferner ist mit der Tübinger Staatsanwaltschaft vereinbart, dass in absoluten Extremfällen auch Strafanzeigen gestellt werden sollen.
Um problematische Auswüchse auf dem Mietwohnungsmarkt einzuhegen ist es aus Sicht der Verwaltung überdies sinnvoll, die rechtliche Beratungssituation von Mietenden zu verbessern. Dazu ist geplant, auf der städtischen Webseite wesentlich umfassender als bisher über mietrechtliche Belange zu informieren und eine Anlaufstelle für mietrechtliche Fragen in der Verwaltung zu schaffen. Die Verwaltung arbeitet derzeit gemeinsam mit dem Mieterbund Tübingen-Reutlingen e. V. an einem Konzept, bei dem pauschal Rechtsberatungsstunden vom Mieterbund gebucht werden. Diese Stunden können dann von Mieterinnen und Mietern genutzt werden, die rechtliche Probleme im Mietverhältnis haben und sich eine Mitgliedschaft im Mieterbund und eine anwaltliche Beratung nicht leisten können. Zudem soll das Beratungskontingent anderen Beratenden innerhalb und außerhalb der Verwaltung nutzen, deren Klienten Probleme im Mietverhältnis haben.

Das Schwäbische Tagblatt berichtete am 21.05.2024 über die Analyse der Wohnraumbeaufragten und interviewte dazu eine WG mit vier Personen, die für eine 3,5-Zimmer-Penthouse-Wohnung im Güterbahnhofsareal 2900€ bezahlen. Eigentümer ist eine Kapitalgesellschaft aus Berlin (Tagblattbericht hier).